Bin ich denn blöd?

Vorsicht: Jetzt kommt das schlaue Zuhause, das Energiesparen zur Wissenschaft macht.

Der Energieriese, der bei uns früher das Strommonopol hatte, kann sich nur schwer mit unserer Dummheit abfinden. Wir waren eines Tages so töricht, zu kündigen und unsere Elektrizität bei einem dieser regionalen Energiezwerge mit Hang zu Naturstrom zu bestellen. Obwohl uns hätte eigentlich klar sein müssen, dass so einer uns keine technologische Brücke in eine Zukunft bauen kann, in der es keine Kernreaktoren mehr gibt. Allein schon, weil er jeden Euro in grüne Kraftwerke steckt anstatt in grüne Imagekampagnen. Da der liebe Gott gerade nicht genug Hirn vorrätig hatte, das er auf uns hätte herniederwerfen können, hat sich der Energieriese nun höchstselbst unser erbarmt – und uns eine Broschüre geschenkt, die helfen soll, unsere verstandesmäßigen Defizite auszugleichen: „So kommt Intelligenz ins Haus.“

Eine intellektuelle Aufrüstung unseres damit als Nullintelligenzhaus enttarnten Eigenheims würde meinen Kindern gewiss nicht schaden, die wollen immerhin das bayerische Abitur machen. Mir tät’s bestimmt auch gut, denn ich verstehe das nicht: Steht da auf dem Blättchen doch etwas von „Energie sparen“. Das kann ja nur lustig gemeint sein, wenn’s der Stromlieferant schickt und dazu auch noch den Herrn Stromberg zeigt, der bekanntlich von Haus aus komisch ist. Oder ich Dorfdepp kapiere mal wieder den Gag nicht.

Falls Ihnen meine Begriffsstutzigkeit auf die NeRWEn geht, bitte ich um Verzeihung. Noch habe ich die mir angebotene Intelligenz, die mein Sweet Home in ein Smart Home verwandeln soll, ja nicht bestellt, im Starterpaket für 379 Euro. Darin befänden sich lauter unheimlich smarte elektrische Geräte, vom schlauen Heizkörperthermostaten über kluge Zwischenstecker für die Steckdosen bis hin zur super-cleveren Schaltzentrale in Microsoft-Qualität, die mit dem Smartphone interagiert. Ich wusste zwar schon immer, dass ich nichts weiß, aber jetzt bin ich total verwirrt: Warum sollte der Energieriese mir dabei helfen, weniger dumm zu sein, indem ich Energie spare, die er mir dann nicht mehr verkaufen kann? Oder bin ich am Ende gerade dann der Dumme, wenn ich Smart Home bestelle? Ach, ich werd einfach nicht schlau draus!

Aber Sie sind doch clever. Was würden denn Sie an meiner Stelle tun? Würden Sie sich Technik anschaffen, bei der Sie am PC programmieren können/dürfen/müssen, zu welcher Uhrzeit an welchen Wochentagen kleine batteriebetriebene Motoren Ihre Heizkörperventile unter welchen Bedingungen auf- und zudrehen? Was würden Sie sagen, wenn Sie die Programmierung dringend ändern wollten, aber nicht könnten, weil Ihr PC an einer Steckdosenleiste hängt, die gemäß Ihrer eigenen Energiespar-Programmierung für die nächsten Stunden keinen Strom hat? Wären Sie begeistert, wenn Sie jeden Morgen aufs Neue die blinkenden Systemuhren sämtlicher Elektrogeräte stellen müssten, weil Sie die Anschaffungskosten

Ihres intelligenten Heims nur dann wieder hereinbekommen, wenn Sie nachts alles vom Netz trennen, was im Stand-by mehr als zwei Watt vergeudet? Wären Sie, falls Sie ein Mann sind, entzückt, wenn Ihre Frau Sie – ganz desperate house- wife – auf der Arbeit anriefe, damit Sie ihr von Ihrem iPhone aus die Kaffeemaschine freischalten? Und wäre es Ihnen, falls Sie eine Frau sind, eine Genugtuung, Ihrem Mann zu beweisen, dass Sie das Smart-Home-System viel virtuoser beherrschen als er – indem Sie ihm, jetzt aber ab ins Ehebett!, per Fernbedienung den Saft für sein elektronisches Spielzeug abdrehen?

Nein? Besten Dank für Ihren Rat. Ich glaube, ich bin doch nicht blöd.

 

ULF J. FROITZHEIM, ist zwar schon 52, aber noch fit genug, das Licht selbst auszuknipsen und die Heizung runterzudrehen.

TECHNOLOGY REVIEW | MAI 2011

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