Computer sterben nicht aus. Noch nicht. (1)

Im Wirtschaftsteil der Süddeutschen stand am Freitag (19. August) mal wieder ein fetter Fünfspalter aus der IT-Branche, dessen Informationsgehalt von seiner Oberflächlichkeit mühelos weit übertroffen wird. Man könnte auch sagen: Wozu mühsam Fakten ergründen, wenn man das Blatt mit schnoddrigen Vereinfachungen und archivloser Huschiwuschi-Recherche viel schneller vollkriegt? Es ging um Hewlett-Packard (HP).

„Der weltweit größte Computerhersteller verabschiedet sich vom Computer.“

Fakt ist: HP spaltet die Sparte, die PCs und Notebooks herstellt, ab. Computer sind aber auch die Server, die nicht ausgegliedert werden. Nicht einmal von den PCs verabschiedet sich HP im Moment. Dazu fehlt im Moment ein Käufer. Von einer Einstellung der Aktivitäten ist aber vorerst ebenfalls keine Rede. Korrekt wäre also allenfalls: „Der weltweit größte Computerhersteller würde sich gerne so schnell wie möglich vom PC verabschieden.“ Und zwar deshalb, weil er kein schlüssiges Marketingkonzept mehr dafür hat und auch keine Produkte mit USP. Doch was behauptet die SZ so pauschal wie absurd?

„Der klassische Computer ist ein Auslaufmodell.“

Was soll das bitte sein, der „klassische“ Computer? Falls der PC oder das Notebook gemeint sein sollte: Diese Geräte sind bis auf weiteres nicht obsolet. Sie haben lediglich die Phase der Marktsättigung erreicht. Auch der Kühlschrank (oder die Waschmaschine) ist kein Auslaufmodell. Erfreulicherweise ist aber die Zeit vorbei, als man alle zwei Jahre einen neuen PC kaufen musste, damit man noch mit der immer ressourcenhungrigeren Software arbeiten kann. Natürlich besitzt man so ein Teil. Vielleicht steht es jetzt öfter mal ausgeschaltet rum. Ich kenne aber keinen einzigen Smartphone- oder iPad-Besitzer, der seinen PC oder sein Notebook abgeschafft hätte. Man wird auch künftig Geräte nachkaufen – wenn die alten kaputt gehen oder die neuen einen überzeugenden Vorteil haben. PCs könnten weniger Strom verbrauchen, weniger heizen, schnellere Peripherie haben (Thunderbolt!), Chips statt Festplatten, weniger Kabel. Aber da überlässt die Windows-Branche ja seit Jahren die Innovation freiwillig Apple (iMac, Macbook Air, Mac Mini).

„Die Verkäufe von kleinen Laptops gingen … um die Hälfte zurück. Statt dessen kaufen immer mehr Menschen und selbst Unternehmen die flachen Tablet-Rechner. Oder sie greifen zu den Alleskönnerhandys.“

„Kleine“ Laptops – diese Einschränkung ist entscheidend. Die Autorin schreibt hier – ohne den Terminus technicus zu erwähnen – ausschließlich über Netbooks, die bisher die einzige Möglichkeit waren, mit leichtem Gepäck unterwegs online zu gehen. Dass diese Geräte nur eine kleine Episode der Technikgeschichte bleiben würden, war schon vor zwei Jahren klar. Sie bildeten immer nur eine gewisse Teilmenge des Notebook-Markts und einen noch viel kleineren Teil des gesamten PC-Hardware-Markts.

„Obwohl HP viele andere Technologien – vom Server bis zum digitalen Bilderrahmen – im Sortiment hat, verkauft der Konzern vor allem PCs und Laptops.“

Die Verwunderung der Autorin, die sich in der Präposition „obwohl“ ausdrückt, ist einigermaßen erstaunlich. Sollte HP den Kunden, die einen PC wollen, denn statt dessen lieber einen Bilderrahmen aufschwatzen, also eine „andere Technologie“? Natürlich sind das alles keine unterschiedlichen „Technologien“, es sind nur andere, technisch sehr eng verwandte, aber keinesfalls gegeneinander austauschbare Produkte.

„Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass das PC-Geschäft deutlich weniger abwirft als andere Bereiche. IBM hat den Schritt, den nun auch HP wagt, bereits von fünf Jahren vollzogen – und seine Computersparte abgestoßen.“

Dass es in der IT-Industrie Bereiche gibt, die mehr abwerfen als die Commodity (DOS-/Windows-) PC, war eigentlich schon vor über 20 Jahren kein Geheimnis. Okay, die Autorin verwandelt diese für sie wohl verblüffende Erkenntnis mittels des Füllworts „längst“ in eine Pseudo-News. Auf jeden Fall kann IBM nicht seine „Computersparte“ abgespalten haben: Mit „Hardware“ verdiente der Konzern 2010 rund 1,6 Milliarden Dollar, mit der Finanzierung (vor allem von Rechenzentren, also einem Folgegeschäft des Hardwareverkaufs) weitere zwei Milliarden Dollar.

Ich bin mir sehr sicher, dass mit „Hardware“ noch immer Computer gemeint sind und nicht Geschirr und Töpfe. 😉 Nein, ich weiß, dass IBM nur die PC-Sparte an Lenovo verkauft hat und dass diese Transaktion bereits vor sieben Jahren beschlossen und vor sechs Jahren vollzogen wurde.

„Der Konzern, der in Anspielung ans Firmenlogo auch Big Blue genannt wird, …

Das Thema Big Blue hatten wir hier schon mal.

…konzentriert sich seither aufs lukrative Geschäft mit Dienstleistungen. Da will auch HP hin.“

IBM hatte sich viel früher, nämlich schon in den Neunzigern, zunehmend darauf konzentriert. Der Ausstieg aus dem PC-Business war nur der letzte Schritt. Auch HP will da nicht jetzt auf einmal hin, sie sind längst auf dem Weg. Insofern ist das keine Idee von Léo Apotheker. Schon Carly Fiorina und Mark Hurd haben am Ausbau des Software- und Beratungsgeschäfts gearbeitet.  Nur haben die beiden dem neuen Chef aus Europa ein Hardware-Erbe hinterlassen, für das er als alter Softwaremann kein Konzept und keine Marketingidee hat.

Wenn man das schreibt, klingt es allerdings nicht halb so dramatisch wie „Bye, bye, Computer“, das gebe ich zu.

 

Hier geht’s weiter mit dem Handelsblatt.

Sie sind der oder die 2180. Leser/in dieses Beitrags.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert