Wenn die SZ mit der heißen Nadel strickt, ist das eine Sache. Das Handelsblatt überzeugt aber auch nicht auf ganzer Linie:
„Nun also die Reorganisation, der vor allem das Geschäft mit Smartphones zum Opfer fällt. Ein Käufer wird gesucht. Kandidaten könnten unter anderem Samsung oder HTC sein. Beide Smartphone-Riesen bauen auf das Betriebssystem Android von Google und sehen sich einer verschärften Konkurrenz gegenüber, seit der Webriese angekündigt hat für 12,5 Milliarden Dollar Motorola Mobility zu übernehmen. Mit webOS, könnten sie sich eine schlüsselfertige Alternative zu Android kaufen. Beide Konzerne haben ganz im Gegensatz zu HP langjährige Erfahrung mit Smartphones.“
„Apotheker lässt bei Hewlett Packard keinen Stein auf dem anderen“, Handelsblatt online, 19.8.2011, 02:52 Uhr, aktualisiert 19.08.2011, 06:49 Uhr; Interpunktionsfehler wie im Original
Noch mal zum Mitschreiben: HP kauft also Palm, fällt damit auf die Nase, aber das Betriebssystem soll gut genug sein für zwei erfolgreiche Telefon-Hersteller? Schlüsselfertig kann diese Software auch nicht sein, es sei denn, man nähme an, die Asiaten könnten die existierenden Ladenhüter aus Palo Alto allein dadurch wie geschnitten Brot verkaufen, dass sie ihre Label über die HP-Marken pappen. Dass Google die Hardware-Produktion von Motorola in Eigenregie weiterführen will, ist im übrigen auch noch alles andere als sicher (das Thema Defensiv-Patente ist schon ausführlich diskutiert worden). Hier wird also nur wild spekuliert, ohne Substanz. Das kann man in einem Kommentar machen (bitte mit sauberer Begründung!), aber nicht in einer Nachricht.
„Welchem Betriebssystem sich die PC-Sparte in Zukunft zuwenden werde, sei noch völlig offen. Klar ist nur, dass ein neues Tablet-Geschäft her muss in der dann autarken PC-Sparte, sonst verliert sie weiter an Boden. Optionen wären hier Microsofts Windows Phone 7, Googles Android oder Blackberrys QNX.“
Ist Google also jetzt doch nicht der böse Konkurrent, sondern ein guter Kooperationspartner? Nun ja. Jedenfalls wäre es neu, dass Blackberry – selbst in der Defensive – eine ernsthafte Option sein könnte. Zumal Blackberry eigentlich wie Apple ein Hardware-Hersteller ist, der seine Software nicht für anderer Leute Geräte entwickelt.
„Für das gesamte Finanzjahr wird die Umsatzerwartung von 129 bis 130 Milliarden Dollar abwärts korrigiert auf 127,2 bis 127,6 Milliarden Dollar. Damit scheint sicher, dass Apple nach dramatischen Zuwachsraten HP als weltgrößten IT-Konzern bereits 2011 wird ablösen können.“
Apple hat in den ersten drei Quartalen des am 30. September endenden Geschäftsjahrs 2010/11 knapp 80 Milliarden Dollar umgesetzt. Im vierten Quartal 2009/10 waren es 20 Milliarden, die Wachstumsrate lag zuletzt bei 82 Prozent. Wächst Apple unvermindert weiter, werden es im laufenden vierten Quartal gut 36 Milliarden sein, im Geschäftsjahr also 116 Milliarden. Bei HP wären es etwa zehn Prozent mehr. Wie man sicher sein kann, dass 91 Prozent von HP mehr wären als 100 Prozent von HP, ist mir nicht ganz begreiflich. Wahrscheinlich kann ich nicht rechnen.
„Apotheker reagiert mit der Radikalkur auch auf den Druck zahlreicher Großinvestoren, die seit längerem die Abspaltung des margenschwachen Computergeschäfts fordern und damit quasi eine Aufteilung in ein Business-orientiertes HP und eine eigenständige Consumer-Sparte. Nach einer Abspaltung des PC-Geschäfts könnte auch ein Verkauf folgen.“
Auch das Handelsblatt verwendet „Computer“ wohl als Synonym für „PC“. Selbst wenn es stimmt, dass Anleger – die wohl mehr Ahnung von Excel-Tabellen als von Technik haben – einen Vorteil darin sehen, das Consumer-Computer-Geschäft von dem für Geschäftscomputer zu trennen: Logisch nachvollziehbar ist das nicht. Die Einkaufsvorteile des bestehenden Konzerns, der Computer aller Größenklassen im Wert von über 50 Milliarden Dollar jährlich verkauft, gegenüber einer Rest-HP mit 20 bis 25 Millarden Dollar Hardware-Umsatz dürften bedeutsam sein.
Aber wie schreibt das Handelsblatt doch selbst…
„Die Logik hinter der Abspaltung ist nicht einfach zu erkennen…
…um dann gleich wieder daneben zu liegen:
… schließlich ist HP der Weltmarktführer im PC-Segment.“
Nein, HP ist der Kleister aller Massen Meister aller Klassen, nicht nur im PC-Segment. IBM, Dell, Apple – alle sind sowohl insgesamt als auch im PC-Geschäft kleiner.
„…die Cloud-Technologie … macht – vereinfacht formuliert – PC und Server in Unternehmen massenhaft überflüssig, weil ihre Arbeit von großen Computercentern in der „Cloud“, also im Internet übernommen werden.“
Die Cloud, liebe Kollegen, ist weder das Internet noch eine Technologie, sondern ein Marketingschlagwort, hinter dem sich eine ziemlich vielfältige Technik verbirgt, die mit dem Internet zu tun haben kann, aber nicht muss. Viele Server mögen überflüssig werden, PCs dagegen schon weniger. Klar ist nur: Das Wachstum des PC-Markts ist vorbei, weil die rhythmischen Leistungssteigerungen der Hardware obsolet sind.
„Bereits in den vergangenen Quartalen hatte HP große Schwierigkeiten mit seinem PC-Geschäft und vor allem im Privatkundenbereich herbe Absatzverluste hinnehmen müssen.“
Klar doch. Wenn die Probleme neu wären, würde wohl kein CEO so drastisch reagieren.
„Dazu kommt, dass große US-Unternehmen mit Hintergrund im Businesskunden-Geschäft wie HP und Dell, aber auch Microsoft oder der kanadische Mobilfunkpionier RIM (Blackberry) traditionell Schwierigkeiten haben, im Privatkundengeschäft Fuß zu fassen.“
Erstens haben diese Schwierigkeiten keine Tradition, zweitens geht es nicht darum, Fuß zu fassen, sondern sich in diesem Geschäft zu behaupten und dabei noch Geld zu verdienen. So war HP als Weltmarktführer bei Druckern und Multifunktionsgeräten lange Zeit auch im Privatkundensegment sehr erfolgreich. Mit dem Kauf der Marke Compaq faßte HP auch im Consumermarkt für PCs Fuß, hat diese Chance dann aber wieder verspielt. Dell hatte noch vor ein paar Jahren im Geschäft mit amerikanischen Privatkunden einen Marktanteil von fast 30 Prozent. Bei Microsoft ist die Idee, das Unternehmen habe im Consumergeschäft nie ein Bein an die Erde gekriegt, besonders lustig. Und wie erfolglos Blackberry bei Privatkunden ist, zeigen die Schlagzeilen der letzten Wochen aus Tottenham & Umgebung.
„Besonders seit Apple sowohl im Computersegment als auch im Markt für mobile Endgeräte wie Smartphones Erfolge feiert, wurde dies in erschreckendem Ausmaß deutlich.“
Die Kollegen tun ja so, als könne man das voneinander losgelöst betrachten. Nein, es ist so: Gerade weil Apple verstanden hat, wofür die Kunden gerne Geld ausgeben, haben die anderen, die traditionell gedacht hatten, der Markt gehöre ihnen, überhaupt diese Probleme bekommen.
„Unklar ist, was mit dem Druckergeschäft passiert. Ähnlich wie bei PC-Hardware liefern sich die Druckerhersteller ruinöse Preiskämpfe und verdienen ihr Geld nur noch über den Verkauf von Toner und Tinte.“
Das ist nun wirklich der Gipfel der Ahnungslosigkeit!
Es ist das bereits ziemlich alte Geschäftsmodell von HP, nach dem Vorbild der Rockefellerschen Öllampe die Drucker nahezu zu verschenken und sich über das heillos überteuerte, nur in patentgeschützten Kartuschen erhältliche Verbrauchsmaterial an den Verbrauchern schadlos zu halten. Eine Ähnlichkeit zwischen dem PC- und dem Druckergeschäft gibt es nicht, denn bei einem PC gibt es kein Verbrauchsmaterial.
Und weil die Patronen die Lizenz zum Gelddrucken sind, ist auch überhaupt nicht unklar, was mit dem Druckergeschäft passiert. Ein HP-Chef, der sich davon trennen wollte, solange die Spezies der Internetausdrucker nicht gestorben ist, gehörte sofort geschasst. So schreibt das Handelsblatt ja auch selbst:
„HPs Druckerbereich setzte im dritten Quartal rund 6,09 Milliarden Dollar um und damit geringfügig weniger als im Vorjahr, er liefert allerdings einen beachtlichen Cash Flow, der zum Beispiel dazu dient, die Research-Aktivitäten bei HP zu finanzieren.“
Sie sind der oder die 1946. Leser/in dieses Beitrags.