Code like a girl

Beim Stichwort Ästhetik denkt nicht jeder zuerst an Programmcode. Dabei haben erfahrene Software-Architektinnen und Software-Architekten einen sechsten Sinn für verborgene Schönheit. Sie erkennen mangelnde Qualität bereits an Äußerlichem: Was ihnen „hässlich“ erscheint, bewährt sich nicht.

Der Onlineshop „Modern Coder“ hat eine klare Zielgruppe: weibliche IT-Fachkräfte. Der typischen Software-Entwicklerin, die zu viel arbeitet und keine Ruhe hat für einen Einkaufsbummel, liefert der Versender kesse Klamotten frei Haus – T-Shirts und Sweatshirts in schicken Schnitten von gertenschlank bis ernährungstechnisch herausgefordert. Sich schön anzuziehen, ist für die Kundinnen aber nur ein Grund, bei „Modern Coder“ zu ordern. Der Clou an den Textilien ist der applizierte Text: „code like a girl“.

Der neofeministische One-Liner, der auch Accessoires von der Handtasche über Einkaufsbeutel und Kaffeepötte bis zum Bumper Sticker schmückt, wendet ein männliches Vorurteil gegenüber Frauen zum Vorbild: „Girl Code“, das neue Synonym für „schön“ geschriebene Programme, war ursprünglich eine Metapher mit gehässigem Unterton. Wer Code schreibt „wie ein Mädchen“, konzentriert sich nicht aufs Wesentliche, sondern glättet hier und striegelt da, bis auch das letzte Strähnchen richtig sitzt. Echte Männer haben es nicht nötig, auf die Ästhetik ihres Outputs zu achten. Sie sind effizient und pragmatisch, lassen Ecken und Kanten stehen und folgen der Devise: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Wer da die tumben Machos aus Rich Tennants genialem Cartoon-Klassiker „Real Programmers“ vor Augen hat, ist also im richtigen Film. „Code like a girl“ weiterlesen

Gelegenheit macht Ziele

Goethe irrte: Zum Golde drängt nicht alles, manchmal ist es genau umgekehrt. Der Reichtum kam zu Klaus Tschira, ohne dass der danach gegiert hätte. Der SAP-Mitbegründer ist nicht auf Ziele fixiert – doch findet er immer wieder Dinge, nach denen zu streben ihm sehr viel wert ist. Wir haben ihn besucht.

 

Klaus Tschira, geboren am 7. Dezember 1940 in Freiburg, hat an der Technischen Hochschule Karlsruhe Physik studiert. Von 1966 bis März 1972 arbeitete er als Systemberater in der Mannheimer Niederlassung der IBM.

Tschira war Gründungsgesellschafter der Firma Systemanalyse und Programmentwicklung GbR, aus der 1976 die SAP Systeme Anwendungen und Programme GmbH und 1988 die SAP AG hervorging. Bei der SAP gehörte er bis 1998 dem Vorstand an, seitdem sitzt er im Aufsichtsrat, aus dem er sich dieses Jahr zurückziehen wird.

1995 errichtete er eine nach ihm benannte Stiftung, die sich für die Förderung der Naturwissenschaften, der Informatik und der Mathematik sowie für die Vermittlung naturwissenschaftlicher Themen in der Öffentlichkeit einsetzt.

Er war gerade 31 Jahre alt geworden, da musste Klaus Tschira seine Frau Gerda überzeugen, dass er sehr wohl noch alle seine fünf Sinne beisammen hatte. Der junge Physiker aus dem Badischen hatte beim Weltkonzern IBM einen Job, um den sich andere reißen würden – anständig bezahlt und, wie es schien, zukunftssicher. Und den wollte er jetzt aufgeben, wollte beruflich ein neues Leben beginnen, wollte sich gemeinsam mit ein paar Kollegen, die ebenfalls keinerlei unternehmerische Erfahrung mitbrachten, selbstständig machen. Seine Angetraute konnte es nicht fassen: „Ja spinnscht jetzt du?“ „Gelegenheit macht Ziele“ weiterlesen

Lebenselixier Software

Titelgeschichte der mit „Gold“ beim Best of Corporate Publishing Award 2007 prämierten Ausgabe des Kundenmagazins m&it (Menschen und Informationstechnik), Herausgeber: sd&m AG, München.

 

Einstein ist abgehakt, in den Medien gibt Mozart den Ton an. Dass 2006 auch zum „Informatikjahr“ ausgerufen wurde, haben viele gar nicht gehört. Das offizielle Wissenschaftsjahr soll Laien deutlich machen, wie sehr das Wohl der Gesellschaft von Software abhängt – und warum es wichtig ist, besser über IT informiert zu sein. Eine offene Debatte über Ziele und Grenzen des Fortschritts könnte auch der Informatik neue Impulse geben.

Eines haben die Uhus den Bivies voraus: Die etwas reiferen Jahrgänge („unter hundert“) haben bewusst eine Zeit miterlebt, in der ein softwareloses Leben in der Zivilisation möglich, ja sogar alltäglich war. Die „bis vierzig“ Jahre alten Bivies kennen diese graue Vorzeit und ihre Requisiten wie Lohntüte, Wählscheibentelefon, Schreibmaschine, Röhrenradio und Rechenschieber vor allem aus Filmen, Büchern oder TV-Dokumentationen. Wobei Einblicke in die analoge Ära maßgeblich dem Einsatz von Digitaltechnik zu verdanken sind: Wie Buchverlage und Bibliotheken, Fernsehsender und Programmzeitschriften jemals ohne IT klarkamen, finden heutzutage sogar altgediente Medienprofis einigermaßen rätselhaft. „Lebenselixier Software“ weiterlesen

…zweitens als man denkt

Titelgeschichte der mit “Silber” beim Best of Corporate Publishing Award 2006 prämierten Ausgabe des Kundenmagazins m&it (Menschen und Informationstechnik), Herausgeber: sd&m AG, München.

Der Mensch hasst die Ungewissheit. Er will wissen, was auf ihn zukommt: Er geht zu Wahrsagern, hört Horoskope im Radio, bemüht selbst ernannte Zukunftsforscher. Aber weder Geist noch Natur und Technik entwickeln sich linear. Die Extrapolation der jüngeren Vergangenheit in Richtung Zukunft ist so unzuverlässig wie langfristige Wetterprognosen.

Herman Kahn war ein hochgescheiter Mann. „Highest IQ on record“ lautet eine typische Würdigung – auch wenn nirgends verlässlich dokumentiert ist, ob der New Yorker seinen Intelligenzquotienten überhaupt je hat wissenschaftlich messen lassen. Kahn (1922–1983) war der Urtyp jener Sorte Experten, ohne die die heutige Mediengesellschaft kaum mehr vorstellbar ist: eloquente Berufsbesserwisser, die der schnöden Wirklichkeit gedanklich immer einige Schritte voraus sind. Seine Lebensaufgabe fand der frühere Wunderknabe der Air-Force-Denkfabrik RAND Corporation darin, mit seinem eigenen Think-Tank Hudson Institute die USA des jungen Computerzeitalters auf das vorzubereiten, was ihnen in naher, mittlerer und etwas fernerer Zukunft blühte: militärisch, politisch, technisch, ökonomisch – vom Atomkrieg bis zum Wirtschaftswunder. „…zweitens als man denkt“ weiterlesen