Masayoshi Son ist der Popstar der japanischen Gesellschaft. Der Chef des Internet-Konzerns Softbank herrscht über fast 300 Unternehmen – und ein milliardenschweres Privatvermögen.
Die Elite Japans ist nicht mehr das, was sie einmal war. Da lässt sich Nobuyuki Idei, Präsident der Weltmacht Sony, herab, mit einem Emporkömmling Golf zu spielen. Schlimmer: Er rühmt den neureichen Außenseiter sogar als vorbildlichen Unternehmer. Mit seinem Lob steht Idei nicht allein: Die „Business Week“ hebt den Aufsteiger in den Kreis der 25 Topmanager des Jahres. Beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos hängen hochkarätige Wirtschaftsbosse aus aller Welt an seinen Lippen. Und in Tokio strömen tausende junger Menschen herbei, um von ihrem neuen Idol zu erfahren, wie man Internet-Firmen erfolgreich macht.
Der Gefeierte heißt Masayoshi Son, ist 42 Jahre alt und leitet den globalen Tokioter Internet-Konzern Softbank. lm vergangenen Februar stand der Spross koreanischer Einwanderer auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Binnen fünf Wochen verdoppelte sich der Kurs, und Son, Eigentümer eines Aktienpakets im Börsenwert von über 150 Milliarden Mark, zählte zu den reichsten Männern der Welt. Son, der Popstar des E-Business. Son, Japans Antwort auf Bill Gates.
Seit kurzem steht der Name Masayoshi Son allerdings auch für eine Guinnessbuch-reife Geldvernichtung. Als die Anleger das Vertrauen in die Internet-Hausse verloren, sackte der Softbank-Kurs von fast 4000 auf rund 1600 Mark ab. Wiederum binnen fünf Wochen. Die Aktionäre verloren schlagartig an die 200 Milliarden Mark – dafür hätten sie General Motors plus Ford kaufen können. So richtig schockiert waren die meisten Shareholder vom Absturz dennoch nicht: Schließlich notierte das Papier immer noch mehr als 1600 Prozent über dem Niveau vom Herbst 1998.
Dass der studierte Betriebswirt, der sein Privatleben wie ein Geheimnis hütet, nicht ohne Blessuren davonkommen würde, wenn die Internet-Blase platzt, war absehbar. Kompromisslos wie kein zweiter Unternehmer stellte der Sohn eines Spielhöllenbetreibers auf das Web. Als die Vorstände von US-Branchenriesen wie Intel und Microsoft noch zauderten, begann Son mit dem Umbau seiner Firma, die er mit 24 Jahren für den Import amerikanischer Software gegründet hatte, zu einem Konzern mit Beteiligungen quer durch die gesamte Online-Welt. Sobald die Netz-Avantgarde irgendeinen neuen Trend kreierte, war Son blitzartig mit Geld zur Stelle. Noch bevor Europas Unternehmer auf eine viel versprechende Web-Startup-Firma im Silicon Valley aufmerksam wurden, hatte sich Masayoshi Son schon an ihr beteiligt. So half er den Erfindern der ersten erfolgreichen Suchmaschine Yahoo, Jerry Yang und David Filo, mit seinen Millionen ebenso auf die Beine wie den Gründern des Online-Brokerhauses E-Trade und dem virtuellen Kreditvermittler E-Loan.
Im Laufe weniger Jahre wucherte sein japanisch-kalifornisches Imperium zu einem Konglomerat aus Software-Buden, Verlagskonzernen, Handelshäusern und Vermögensverwaltungsgesellschaften, das kein Analyst mehr durchschaut. Keine Datenbank kennt den aktuellen Stand der Beteiligungen, weder die Internet-Seite noch der Geschäftsbericht machen die komplexe Struktur der Softbank-Gruppe transparent.
Nicht einmal die Zahl der Firmen, in die der Net-Mogul investiert hat, lässt sich ermitteln. Wahrscheinlich sind es an die 300. „Um auch nur einen Eindruck vom wahren Wert der Firma, zu gewinnen“, schrieb das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“, „müsste man gelernter Buchprüfer, Aktienanalyst und Privatdetektiv in einer Person sein.“
Oder man müsste Softbank-Finanzchef Yoshitaka Kitao zum Reden bringen, den einzigen Menschen, der alle Fragen zur Firma zuverlässig beantworten kann. Er wird in seinem Job von einem Tross aus Finanzspezialisten des Broker-Hauses Nomura Securities unterstützt. Zu rechnen gibt es eine Menge bei Softbank. Trotz seines Reichtums benötigt Masayoshi Son in seiner Lieblingsrolle als Venture-Capitalist ständig Geld. Cash. Um Son die nötige Liquidität zu verschaffen, verscherbelt Kitao schon mal ein paar Prozent Anteile an der Goldgrube Yahoo oder bringt einen Verlag wie Ziff Davis an die Börse, den Son vor fünf Jahren teuer von der New Yorker Investmentbank Forstmann Little erworben hat.
In letzter Zeit kracht es öfter zwischen Son und Kitao. Der Streit dreht sich um Sons Master-Plan, aus Softbank ein Netbatsu zu machen. So nennt der Konzernchef seine Vision von einer Internet-kompatiblen Variante des Zaibatsu, wie die führenden japanischen Industriekonglomerate vor rund hundert Jahren hießen. Den Kern eines Zaibatsu bildete stets eine Bank. Die besitzt Son seit kurzem. Im Februar erlaubte die Regierung von Ministerpräsident Keizo Obuchi einer von Softbank angeführten Investorengruppe, die staatliche Nippon Credit Bank (NCB) zu erwerben.
Auch sonst ist die Harmonie zwischen dem Überflieger-Boss und seinem selbstbewussten Finanzrealo schwer angeknackst. So distanzierte sich Kitao jüngst öffentlich von zwei schillernden Persönlichkeiten der ostasiatischen Internet- und Investmentszene, zu denen Son beste Kontakte pflegt: dem Hongkonger Internet-Unternehmer Richard Li, Sohn des Großindustrielien Li Ka-shing, sowie Yasumitsu Shigei, dem umstrittenen Geschäftsführer des Softbank-Konkurrenten Hikari Tsushin. Son sah sich im verschlossenen Japan zu einer öffentlichen Entschuldigung genötigt.
Das Image von Softbank hat unter dem Gerangel schwer gelitten. Doch im Krisenmanagement hat Masayoshi Son Erfahrung. Vor vier Jahren setzte er sich schon einmal fett in die Nesseln, als er gemeinsam mit dem australo-amerikanischen Medienunternehmer Rupert Murdoch nach der Macht beim japanischen TV-Sender Asahi griff. Ein Sakrileg. Son gab den Plan auf und glättete die Wogen rasch. Nicht umsonst lautet sein Spitzname Ojin-kiraah, Altherrenmörder. Will heißen: Er kriegt sie alle rum.
Sollte sein Standing beim japanischen Establishment eines Tages dennoch verloren gehen, hat Son, der seine erste Million mit einem elektronischen Taschenübersetzer verdiente, noch ein paar Eisen im Feuer. Zum einen will er sich verstärkt in Europa engagieren – mit zwei neuen Investmentfonds und Büros in London, Paris und München. Zum anderen hat er sich mit Weltbank-Präsident James Wolfensohn zusammengetan, um Internet-Start-ups in der Dritten Welt zu finanzieren. Denn Son, der Mann aus der Unterschicht, hat erkannt: Es gibt auch arme Länder, in denen ein Milliardär eine Menge bewegen kann.
Erschienen in BIZZ 5/2000.
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