Porträt: King Hong Kong

Er war die Schlüsselfigur der Übernahmeschlacht Mannesmann-Vodafone. Jetzt will der vergötterte Immobilien-Tycoon Li Ka-shing zum Internet-Mogul aufsteigen – mit Sohn Richard an der Seite.

 

Der Geldregen, der im vorigen Herbst auf den alten Mister Li niederprasselte, war selbst für einen Multimilliardär wie ihn ungewohnt heftig. Jahrzehnte hatte der einstige Plastikblumenfabrikant aus Hongkong gebraucht, um sich im Club der Superreichen zu etablieren. Als ihn das Magazin „Forbes“ 1999 auf Rang zehn der Working Rich setzte, stand Lis Wohlslandspegel bei 12,7 Milliarden Dollar. Dann kam dieser deutsche Manager daher, Klaus Esser, Angestellter bei Mannesmann, und bot ihm die Chance, auf einen Schlag weitere 14,6 Milliarden Dollar abzuräumen.

Li Ka-shing, Jahrgang 1926, schlug zu – und bewies wieder einmal den richtigen Riecher. 1994 hatte der Gentleman aus der ehemaligen Kronkolonie den Mobilfunkanbieter Orange gegründet und binnen fünf Jahren zur Perle des britischen Telefonmarkts entwickelt. Mannesmann-Boss Esser wollte das Schmuckstück und arrangierte eine Aktien-Rochade. Kurz darauf war Orange deutsch – und Li Miteigentümer der Mannesmann-Kleinode Arcor und D2.

So richtig zahlte sich dieser Deal für Li aus, als der britische Vodafone-Chcf Chris Gent zur Attacke auf Mannesmann blies. Tycoon Li wurde zur Schlüsselfigur der Übernahmeschlacht: Über seinen treuen Adlatus Canning Fok, Mannesmann-Aufsichtsrat und Manager von Lis Telefongesellschaft Hutchison Whampoa, ließ er Esser die Idee ausreden, die Mannesmann-Aktionäre müssten mindestens 50 Prozent der Anteile halten. Gent hatte gewonnen.

Der Deal war typisch Li. Hongkongs mächtigster Firmenpatriarch (Spitzname: Superman) steht im Ruf, seine Interessen knallhart durchzusetzen, ohne sich dabei Feinde zu machen. Sein Geschäftsfreund Esser wollte die Fusion mit Vodafone verhindern, also konnte er dem Deutschen nicht in den Rücken fallen. Als Li erkannte, dass weiterer Widerstand mehr schadet als nützt, baute er dem Deutschen eine mit Geld gepflasterte Brücke ins gegnerische Lager.

Der Lebenslauf Li Ka-shings liest sich wie das Drehbuch zu einem kitschigen Hollywood-Melodram. Es beginnt 1940 in Guangdong in der südchinesischen Provinz. Nach dem Einmarsch japanischer Besatzer fliehen die Lis ins nahe Hongkong. 1942 stirbt der Vater. Der 14-jährige Ka-shing verdingt sich in einer Kunstblumenfabrik, um die Familie durchzubringen. Mit 20 ist er Geschäftsfiihrer, mit 22 gründet er seinen eigenen Betrieb. Ende der fünfziger Jahre nennt ihn die Presse „The king of plastic flowers“. In den 60ern wird Immobilienspekulation seine zweite Einnahmequelle. Li steigt billig ein, holt finanzstarke Investoren mit ins Boot und ist Ende der 70er-Jahre der größte private Vermieter in der Millonenstadt. Mehr Häuser und Grundstücke als er besitzt nur die britische Krone.

Nebenbei bereitet der Clan-Chef seine Söhne Victor und Richard auf das Unternehmerdasein vor. Schon als Kinder müssen sich beide bei Management-Meetings still in eine Ecke setzen und zuhören. Später schickt sie der strenge Vater zur Ausbildung in die USA. Zurück in Hongkong, wird Victor Gehilfe seines Vaters. Richard, seit seinem 13. Lebensjahr Selbstversorger, bekommt 1990 vom Papa das Startkapital für eine eigene Firma. Er gründet den Satellitensender Star TV und verkauft ihn 1995 für 950 Millionen Dollar an den australo-amerikanischen Medienzaren Rupert Murdoch.

Li Senior nutzt seine üppigen Gewinne dagegen immer wieder zur Diversifikation: Containerhäfen, Einzelhandel, Hotels, Energieversorgung, schließlich Telekommunikation und Intemet. Als seine neue Web-Firma Tom.com im Februar 2000 an die Börse geht, muss die Polizei Horden von Zeichnungswilligen in Schach halten. Jeder will am Erfolg des Altmeisters teilhaben. Die Legende berichtet, niemand könne sich in Hongkong umschauen, ohne etwas zu sehen, das Li Ka-shing gehört. Unmöglich, einen Bereich des täglichen Lebens zu entdecken, in dem Superman über seine Holdings Hutchison Whampoa (Telekommunikation) und Cheung Kong (Immobilien) nicht die Finger hat.

Trotz seiner Angst einflößenden Macht genießt der King von Hongkong einen exzellenten Ruf. Seit fünf Jahrzehnten wahrt er das Image des integren Geschäftsmanns, der nie jemanden übers Ohr haut und Reichtum nicht als Selbstzweck betrachtet. Bezeichnend ist eine Anekdote, die man über ihn erzählt: Li rennt einer Münze nach, die in den Rinnstein gekullert ist. Ein Wachmann hilft ihm, sie aufzuheben – und bekommt dafür ein stattliches Trinkgeld.

In letzter Zeit hat das Image der Li-Dynastie allerdings erste Schrammen abbekommen. Argwohn wecken vor allem die unternehmerischen Abenteuer von Sohn Richard alias Li Tzar-kai. Der 33-jährige Stanford-Absolvent machte sich voriges Jahr erstmals unbeliebt, als bekannt wurde, dass ihm die Stadtoberen ein Grundstück für ein 1,6 Milliarden Dollar teures Bauvorhaben unter der Hand zugeschanzt hatten. Klüngel – das passt nicht zum Li-lmage.

Dann schockte Richard im Februar die Finanzwelt mit der Ankündigung, seine erst 1999 gegründete Internet-Holding Pacific Century Cyberworks (PCCW) wolle den beherrschenden Telekommunikationsanbieter Hong Kong Telecom (HKT) für 37 Milliarden Dollar ühernehmen. Bis dahin galt Singapore Telecom als einziger Interessent. Der britische HKT-Hauptaktionär Cable&Wireless entschied sich für Richard. Doch bald sickerte der Skandal durch, dass die Pekinger Regierung kräitig nachgeholfen hatte, um das Kommunikationsnetz HKT nicht in singapurische Hände fallen zu lassen.

Richard, der Erbe des guten Mister Li: ein Strohmann Pekings? Wohl eher ein Nachwuchsunternehmer, der viel mit seinem Übervater gemeinsam hat. 1989 beweinte Li Ka-shing das Staatsmassaker auf Pekings Platz des himmlischen Friedens als nationale Tragödie. Doch rechtzeitig vor der Rückgabe der Kolonie Hongkong an die Volksrepublik 1997 stellte er seine moralischen Bedenken hintan.

Schließlich gibt es im wieder vereinten China für einen vielseitig interessierten Unternehmer eine Menge zu tun, wenn er sich mit der Politik arrangiert.

Erschienen in BIZZ 6/2000.

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