Für Technikfreaks ist sie der letzte Schrei: die Do-it-yourself-Buchung am eigenen PC. Für eilige Geschäftsreisende sind die meisten Online-Offerten allerdings eine zeitraubende Zumutung.
Wenn ein Ressort der Deutschen Bahn AG den Firmenslogan „Unternehmen Zukunft“ wirklich verinnerlicht hat, dann der Geschäftsbereich Vertriebssysteme. Zu einer Zeit, da selbst absolute Computerlaien die Modeworte Online, Internet und Cyberspace mit Innovation gleichsetzen, verlegen die Frankfurter Eisenbahner zu jedem erreichbaren PC einen virtuellen Gleisanschluß.
Den Anfang machte im Frühjahr der Service „GO Bahn“. Seither können sich mehr als zwei Millionen Computerbesitzer weltweit über das Netz des amerikanischen Dienstleisters Compuserve in den DB-Zentralrechner einklinken und sekundenschnell europäische Zugverbindungen abrufen. Anfang voriger Woche präsentierte sich die Bahn AG erstmals mit einer Homepage den Teilnehmern des Internet, jenes weltumspannenden Geflechts kleinerer Computernetze, das in den Medien derzeit eine beispiellose Konjunktur hat. Und am 28. August stellen die Eisenbahner das Signal für den neuesten Service auf Grün: Dann können die 800.000 Teilnehmer des Telekom-Onlinedienstes T.btx (früher Bildschirmtext) im Bahn-Rechenzentrum nicht nur Fahrkarten ordern, sondern sich sogar eigenhändig Sitzplätze sichern – rund um die Uhr und ohne Schlangestehen.
So fortschrittlich sind große Teile der Reisebranche noch lange nicht. Zwar offeriert die Start Telematik GmbH, hinter der Bahn, Lufthansa und TUI stehen, den Bildschirmtext-Fans unter dem Schlagwort *Reise# schon seit Jahren ein üppiges Informationsmenü. Doch dessen Gänge bestehen vorwiegend aus Fastfood für Pauschalurlauber: Hart kalkulierende Touristikkonzerne haben T.btx zu einem stark frequentierten Marktplatz ausgebaut, auf dem die Reisebüros ihre Last-minute-Restposten ohne Beratungsaufwand verhökern können. Globetrotter sind auch die Zielgruppe der meisten Info-Angebote im „World Wide Web“ des Internet sowie in Compuserve und den US-Netzen America Online, Prodigy und eWorld.
Geschäftsreisende hingegen finden dort, wo die Auffahrten zum vielgerühmten „Info Superhighway“ sein sollten, meist nur einen holprigen Feldweg. So entpuppt sich die Funktion zum Buchen von Linienflügen, die der T.btx-Teilnehmer via Start bei den „elektronischen Reisebüros“ aufrufen kann, als pure Hochstapelei: Das Bildschirmformular ist nichts weiter als ein papierloser Bestellschein, der nach dem Ausfüllen als „electronic mail“ ans echte Reisebüro geht. Erst der Expedient an seinem Profi-Terminal kann feststellen, ob in der Maschine überhaupt noch ein Platz frei ist, und die Buchung freigeben. Wer mit Lufthansa, Continental, Finnair, Iberia oder Swissair fliegen will, kann immerhin zuvor online in deren Rechnern checken, wieviele Plätze noch frei sind.
Dennoch ist die Online-Linienbuchung in der heutigen Form ein Totalflop: Niemand nutzt sie. So konnte der Geschäftsführer der umsatzstarken First Reisebüro Management GmbH Düsseldorf, Jürgen Böckler, bis dato „keine Buchungstätigkeit“ auf dem neumodischen Umweg feststellen. Manfred Keilhofer, Leiter des Bonner Büros der Schenker-Rhenus Reisen GmbH & Co. KG, das nicht zuletzt mit Aufträgen aus Ministerien 96 Millionen Mark pro Jahr umsetzt, registrierte bisher ebenfalls „keine einzige Anfrage“ über das Bildschirmformular – ein Umstand, der ihn übrigens keineswegs zu bedrücken scheint.
Auch Walter Eckert, Geschäftsführer der Start Telematik, sieht offenbar dringendere Probleme, als den Linienpassagieren einen direkten Durchgriff auf die elektronischen Buchungssysteme zu verschaffen. Vor 1996 werden seine Spezialisten diese „strategische“ Aufgabe nicht in Angriff nehmen: „Dieses Jahr ist erst einmal der Pauschalreise-Katalog dran.“ Die Anfragen der Urlauber sollen künftig direkt ins Rechenzentrum des jeweiligen Veranstalters geleitet werden.
Selbst bei Hotels, die wesentlich öfter als Flugtickets am Reisebüro vorbei gebucht werden, ist das Online-Geschäft noch unterentwickelt. So steht in Deutschland die HRS Robert Ragge GmbH aus Köln mit ihrem „Hotel Reservation Service“ in T.btx ziemlich allein auf weiter Flur. Dieser Dienst hat zudem einen gravierenden Schönheitsfehler: Tippt man ein Messedatum ein, schaltet sich der Computer spontan ab und verweist den Kunden barsch auf eine telefonische Messe-Hotline. Auf diese Weise schirmt das HRS seine Hotel-Kundschaft vor den Blicken neugieriger Konkurrenten ab.
Wer in Berlin zu tun hat, kann immerhin auf die Berliner Bettenbörse ausweichen, die seit 1987 ihr Angebot von 23 auf 250 Häuser erweitert hat. Diese Herbergen von der Vertreterpension bis zum Nobelhotel melden täglich ihre Kapazitäten und Preise – selbst während Funkausstellung, Grüner Woche und ITB. Obwohl er auf ein jährliches Buchungsvolumen von zehn Millionen Mark verweisen kann, beißt Bettenbörsianer Wolfgang Suhrmann in anderen Städten bislang auf Granit. „Die Hoteliers dort denken nicht so offensiv wie ihre Berliner Kollegen“, jammert Suhrmann, „und sind nicht bereit, auch nur kleine Beträge dafür zu investieren.“
So bleibt dem Computerkundigen, der seine Reisen lieber ohne Reisebüro bucht, derzeit nur der elektronische Umweg über München und Columbus/Ohio nach Dallas. In seinem Themenbereich „Reise“ bietet der US-Onlinedienst Compuserve nämlich Zugriff auf „eAAsy Sabre“, die Konsumentenversion des Computerreservierungssystem Sabre. Wer bereit ist, sich in dessen etwas mühsame Abfrageprozeduren einzuarbeiten, kann ohne weiteres ein Hotelzimmer in Düsseldorf oder einen Mietwagen am Münchener Flughafen reservieren – oder sich in Boston ein Ticket für den Weiterflug nach San Francisco hinterlegen lassen.
Die meisten Compusurfer nutzen den Sabre-Zugang allerdings nur zur Information über Flugpläne und Tarife. Wie bei der Hotelkette Choice (Marken: Clarion, Comfort/Quality Inn, Rodeway, Econo Lodge), die seit kurzem via Internet 2000 bis 3000 Anfragen täglich erhält, endet nur jeder hundertste Abruf mit einer Buchung. Selbst Tasso von Heintschel, Sabres General Manager für Mitteleuropa, greift vor seinen Reisen lieber zum Telefon als zur Tastatur.
Und Geschäfte macht er lieber mit den Reisebüros als mit Endkunden: „Wir promoten Eaasy Sabre nicht, weil es nicht für den deutschen Markt gemacht ist.“ Das „Netz der Netze“ halten Experten bisher nicht für eine Alternative. „Das Internet ist ein weitgehend rechtsfreier Raum“, klagt der Friedrichsdorfer Medienberater Hermann Wolf Richter, „dort gibt es weder eine Buchungsbestätigung noch ein sicheres Inkassoverfahren.“
Außerdem kostet die Übertragung der vielen bunten Bildchen, die aus dem Internet nicht mehr wegzudenken sind, enorm viel Zeit. Wer etwa im neuen „Tourismus Infos Internet“ (TII) der Start Telematik nach dem Flugplan von Southwest Airlines stöbern will, starrt minutenlang auf eine kleine Sanduhr – das Pausenzeichen des Computers – bis das nächste Infohäppchen durch die Leitung kleckert. Bei der Lufthansa in T.btx dauert eine solche Abfrage nur Sekunden.
Start-Manager Peter Mahnkopf gibt sich keinen Illusionen hin. „Internet hat gegenüber Bildschirmtext keinen Vorteil – im Gegenteil“, urteilt der Online-Profi, „wir sind in Internet nur deshalb vertreten, weil es ein hohes Nutzerpotential hat.“
Gespannt wartet die Branche jetzt auf die neuen Dienste Europe Online, Bertelsmann Online und Microsoft Network. Wenn es deren Betreibern gelingt, ein zuverlässiges Abrechnungssystem auf die Beine zu stellen, können die Airlines gerade bei den Frequent Travelers den Kostenfaktor Reisebüro umgehen. Nicht einmal mehr zum Ausdrucken des Flugscheins wären die Agenten nötig. Denn nach den Plänen der großen Carrier hat das Ticket bald ausgedient: Der Computer am Gate erfährt per Online-Nachricht, welche Passagiere ihren Flug bezahlt haben.
Beim obenstehenden Text handelt es sich um das ungekürzte Originalmanuskript. In die Fassung der Redaktion (die Sie am Ende dieser Datei finden) hatten sich beim Redigieren ein paar Fehler eingeschlichen. So war es keineswegs nebensächlich, dass die Touristikkonzerne ihre Last-Minute-Kontingente via Btx NICHT an den Reisebüros vorbei Endkunden anboten. Auch die Online-Offerten wurden über Reisebüros abgewickelt. Aus dem bescheidenen technischen Vorsprung von Lufthansa, Swissair und ein paar anderen Airlines (immerhin konnte da der Passagier selbst die Verfügbarkeit prüfen, wenn auch nicht buchen) wird sogar „Hochstapelei“, obwohl sich diese Formulierung ursprünglich darauf bezog, dass bei den meisten Airlines allein der Mitarbeiter des Reisebüros (Expedient) Zugriff auf diese Daten hatte. Es fehlt die Aussage eines Managers von „Start“, das Internet sei schlechter geeignet als Btx; dafür wird ein Mann zitiert, mit dem ich gar nicht gesprochen hatte. Außerdem unterschlug die Redaktion die nicht ganz unwichtige Information, dass niemand Flüge online buchen wollte. Sogar wörtliche Zitate wurden verändert (Hermann Wolf Richter).
Der folgende Kastentext stammt nicht von mir. Es war jemand in der Redaktion, der dachte, 14,4 kBit/s seien ISDN-Geschwindigkeit.
T btx (Telekom-Bildschirmtext) kostet im Monat acht Mark Grundgebühr. Für die Nutzung verlangt die Telekom sechs Pfennig pro Minute plus den Telefon-Nahtarif. Die Deutsche Bahn kassiert für Fahrplanauskünfte weitere 30 Pfennig pro Minute. Nötige Technik: PC mit Bildschirmtext -Dekoder -Software, sowie ein Modem mit 2400 Bits pro Sekunde (bps) oder eine ISDN-Karte (in manchen Städten 14400 bps möglich).
Compuserve ist in den meisten deutschen Großstädten zum Telefon-Ortstarif zu erreichen. Die Monatsgebühr kostet 9,95 Dollar. Dazu kommt bei einigen Diensten ein bescheidener Minutenpreis. Nötige Technik: PC mit Zugangssoftware „Wincim“, empfohlen wird ein 14400-Bit-Modem.
Internet ist dezentral strukturiert und hat keine zentrale
Betreibergesellschaft. Die eigentlichen Informationen sind kostenlos. Bezahlt werden muß nur der Weg über das öffentliche Telefonnetz zum nächsten Einwahlknoten (Internet jargon: Point of Presence oder PoP). Den Zugang verschaffen entweder Compuserve, IBM (über das Betriebssystem OS/2 Warp), die Telekom (über den Dienst Btx plus) oder private Dienstleister. Nötige Technik: PC möglichst mit 14400-Bit-Modem.
Redigierte Version, wie sie in der WiWo erschien:
Längere Pausen
Die Buchung am eigenen PC ist für Geschäftsreisende vorerst noch eine zeitraubende Zumutung.
Die Deutsche Bahn AG (DB) bezeichnet sich gerne als „Unternehmen Zukunft“. Der Geschäftsbereich Vertriebssysteme macht diesem Firmenslogan alle Ehre: Mit Macht drängt er ins Computerzeitalter. Den Start machte im Frühjahr der Service „GO Bahn“. Seither können Computerbesitzer über das Netz des Dienstleisters Compuserve im DB-Zentralrechner europäische Zugverbindungen abrufen. Seit Anfang voriger Woche präsentiert sich die Bahn zudem mit einer eigenen Seite im weltumspannenden lnternet. Und vom 28. August an können Teilnehmer des Telekom-Onlinedienstes T btx im Bahn-Rechenzentrum nicht nur Fahrkarten ordern, sondern sich auch eigenhändig Sitzplätze für die Dienstreise sichern – rund um die Uhr und ohne Schlangestehen.
Da hat das Gros der Reisebranche in den drei Diensten Compuserve, Internet und T btx noch aufzuholen. Bisher verbirgt sich hinter dem T btx-Schlagwort *Reise# vorwiegend Fastfood für Pauschalurlauber: Hart kalkulierende Touristikkonzerne verhökern hier Last-Minute-Restposten ohne Beratung. Globetrotter sind auch die Zielgruppe der meisten Info-Angebote im „World Wide Web“ des Internet sowie in Compuserve und den US-Netzen America Online, Prodigy und eWorld.
Für Geschäftsreisende, die kurzfristig reservieren und umbuchen wollen, entpuppen sich die Auffahrten zur vielgerühmten Datenautobahn hingegen meist als holprige Feldwege. So erweist sich das Versprechen, daß T btx-Teilnehmer in „elektronischen Reisebüros“ Flüge buchen können, als Hochstapelei: Bei Lufthansa oder Swissair können Computerbesitzer online in den Rechnern nur prüfen, wie viele Plätze noch frei sind. Buchen ist nicht drin: Der papierlose Bestellschein geht nach dem Ausfüllen als „electronic maiI“ ans echte Reisebüro. Auch bei Hotelzimmern, die wesentlich öfter als Flugtickets am Reisebüro vorbei direkt reserviert werden, ist das Online-Geschäft noch unterentwickelt. Zwar sind mittlerweile fast alle großen Ketten von Hyatt bis Intercontinental in einem der Netze vertreten. Doch buchen lassen sich die Häuser – wenn überhaupt – nur zur Normalrate, die oft deutlich über dem Reisebürotarif liegt.
Dagegen gibt die Reservierungszentrale Hotel Reservation Service (HRS) ihre Rabatte, die sie im Großeinkauf erzielt, auch online weiter. Doch HRS hat einen gravierenden Schönheitsfehler: Kunden, die während einer Messe ein Zimmer suchen, verweist der Computer barsch an eine Hotline.
Besser sind Reisende zu Messezeiten mit der Berliner Bettenbörse dran, die via T btx 250 Häuser im Angebot hat. Die Herbergen von der Vertreterpension bis zum Edelhotel melden täglich freie Zimmer und Preise – selbst während Funkausstellung, Grüner Woche und Internationaler Tourismus-Börse. Obwohl die Bettenbörse 1994 auf ein Buchungsvolumen von zehn Millionen Mark kam, beißt Geschäftsführer Wolfgang Suhrmann in anderen Städten bisher auf Granit: „Die Hoteliers sind nicht bereit, auch nur kleine Beträge zu investieren.“
So bleibt dem Computerkundigen, der seine Reisen lieber ohne Reisebüro bucht, nur Compuserve und damit der elektronische Umweg über München und Columbus/Ohio nach Dallas. In seinem Themenbereich „Reise“ bietet Compuserve Zugriff auf „Eaasy Sabre“, eine abgespeckte Version des Computerreservierungssystems Sabre, hinter dem American Airlines steht. Wer bereit ist, sich in die etwas mühsamen Prozeduren einzuarbeiten, kann ein Hotelzimmer in Düsseldorf oder einen Mietwagen am Münchner Flughafen reservieren – oder sich in Boston ein Ticket für den Weiterflug nach San Francisco hinterlegen lassen.
Die meisten Compusurfer nutzen den Sabre-Zugang allerdings nur zur Information über Flugpläne und Tarife. Der amerikanische Hotelgigant Choice etwa erhält zwar 2000 bis 3000 Anfragen täglich. Doch bestenfalls jede fünfzigste führt zu einer Buchung. Auch das Internet halten Experten wegen der fehlenden Sicherheit bisher für keine Alternative. „Hier gibt es weder eine Buchungsbestätigung noch eine Sicherheit, daß die Reisenden bei einer geplatzten Buchung an ihr Geld kommen“, klagt der Friedrichsdorfer Medienberater Hermann Wolf Richter.
Außerdem dauert die Übertragung der vielen bunten Bildehen enorm lange. Wer etwa im neuen „Tourismus Infos Internet“ (TII) den Flugplan des Billigfliegers Southwest Airlines aufruft, starrt minutenlang auf eine kleine Sanduhr – das Pausenzeichen des Computers –, bis das nächste Infohäppchen durch die Leitung kleckert. Und Zeit ist nicht nur bei Computernetzen Geld.
Darum machen auch die Reisestellen in den Unternehmen noch einen Bogen um die neuen Online-Serviceangebote. „Wegen der meist geringen Übertragungsgeschwindigkeiten lohnt sich das nur für Freiberufler und Einzelreisende mit wenigen Buchungen“, sagt Hans Lehrburger, Travel Manager der Siemens Medizintechnik in Erlangen.
Die Branche wartet gespannt auf die neuen Dienste Europe Online, Bertelsmann Online und Microsoft Network. Wenn es deren Betreibern gelingt, ein schnelles und zuverlässiges Abrechnungssystem auf die Beine zu stellen, können die Netze zu einer echten Konkurrenz für das Reisebüro werden. Nicht einmal mehr zum Ausdrucken des Flugscheins wären dann die Agenten nötig. Denn nach den Plänen der großen Carrier hat das Ticket bald ausgedient: Der Computer am Gate erfährt per Online-Nachricht, welche Passagiere ihren Flug bezahlt haben.
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