DIE AROMAFALLE

Die Ehre des Schweißfußes ist gerettet: Mit Stinkesocken kann man Malaria-Mücken fangen.

Es gibt Bilder von mir, auf denen ich ich genauso aussehe, wie deutsche Style-Gurus beiderlei Geschlechts es deutschen Touristen seit gefühlten 300 Jahren vorwerfen. Ich trage gern Sandalen, und solange unsere bayerischen Sommer so sind, wie sie nun mal sind, geht das selten ohne Socken. Ist das bei diesem Mischmaschwetter nicht ein besserer Kompromiss als nackte Schweißfüße in luft- und wasserdichten Wanderschuhen? Na, sehen Sie.

Leider beleidigen wir Pragmatiker mit diesem Look das Auge der Geschmackspolizei mindestens so sehr, als erlaubten wir uns eine Kombination aus Cowboystiefel, Bermudas, Bolo Tie, Pilotenbrille und Atze-Schröder-Frisur zum Frack. Aber da müssen mir diese verbiesterten Stildiktatoren erst mal erklären, warum sie den Anblick eines gediegenen Paars halbseidener Baumwollsocken garstiger finden als den eines Hallux valgus, krummer Männerzehennägel oder Fersen voller Schwielen und Schrunden. Mich schreckt auch nicht das Ammenmärchen, dieser vermeintlich typisch deutsche Look sei ein Affront gegen die Einheimischen der Urlaubsländer. So lange wir besockt angelatscht kommen, haben unsere Gastgeber immer was zum Lästern, diesen Spaß will ich ihnen nicht verderben. Im Übrigen wimmelt das Internet von Beweisen, dass viele „Soxer“ – so heißt unsereins im internationalen Schwarzbuch der Stilbanausen – gar keine Deutschen sind, sondern Skandinavier, Russen, Türken, Schotten, Neuseeländer oder Nerds aus der Microsoft-Zentrale.

Ihre ultimative Ehrenrettung verdankt die Socke allerdings nicht uns Fashion-Ignoranten, sondern einem Forscher, der aus einer Region stammt, in der sogar ich freiwillig barfuß in meine Treter schlüpfen würde: Ostafrika. Er heißt Fredros Okumu und hat herausgefunden, dass Socken ein idealer Köder sind, mit dem man Malaria-Mücken in tödliche Fallen locken kann. Keine frisch gewaschenen Socken natürlich, sie sollten schon ein Weilchen getragen sein. Im schwülen Klima von Tansania reichten Okumus Testpersonen zehn Stunden, um einen Männerduft im Stoff zu hinterlassen, auf den von fünf der Teufelsbiester durchschnittlich vier hereinfielen.

Was läge also näher als der Gedanke, Afrikas Männer für die Socks-and-Sandals-Mode zu begeistern? Abends versammeln sich die Dorfbewohner, setzen die Nasenklammer auf, wringen ihre Strümpfe aus und füllen das frische Lockstoff-Konzentrat in die Fallen. Falls das nicht reicht, könnten wir deutschen Sockenträger einspringen – Schwitzen gegen Malaria. Wer noch mehr tun will für Afrika, kann Chucks über seine Strümpfe ziehen, jene Basketballschuh-Imitate aus Gummi und Leinwand. Das steigert die Ausbeute um 1000 Prozent.

Tja, denkste. Was sich liest wie eine gute Nachricht für deutsche Teenager, ist gar keine. Das Forschungsergebnis ist KEINE Ausrede für die Vorliebe unserer Halbwüchsigen, getragene Stinkesocken irgendwo im toten Winkel ihres kuschelig vermüllten Messie-Zimmers zu horten, wo Mama sie nicht sieht. Der Tropenmedizin-Doktorand Okumu braucht den deutschen Sockenmief gar nicht. Er hat schon von Bill Gates eine großzügige Spende für sein Projekt bekommen und einen Chemikaliencocktail entwickelt, der für die Mücke Anopheles genauso appetitlich duftet wie natürlicher Fußschweiß. Denn der Sockentrick geht ja nach hinten los: Die Blutsauger müssten sich einfach nur auf die Lauer legen, bis die Schweißspender ihre Socken ausziehen. Na Mahlzeit!

Ausrede hin oder her, in Deutschlands gottlob anophelesfreien Jugendzimmern bleibt wohl eh alles beim Alten: Dasselbe Aroma, das Malariamücken unwiderstehlich anlockt, hält die Eltern zuverlässig auf Distanz.

TR-Kolumnist ULF J. FROITZHEIM will jetzt im Familienalbum nach einem Foto von sich suchen – für die  Soxer-Website.

TECHNOLOGY REVIEW | SEPTEMBER 2011

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