Zum Sechzigsten: VG Wort für Dummies

Eines muss ich unserer Konkurrenz von den Freischreibern lassen: Sie haben 2016 (besser spät als nie) begriffen, dass sich eine Autorenvereinigung in Deutschland für die VG Wort interessieren muss, also für die Verwertungsgesellschaft, die Jahr für Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag an Journalisten, Schriftsteller und Übersetzer verteilt. Viele Aktive bei uns im DJV haben das ebenfalls begriffen. Allerdings kann man auch Mitglied eines Landesvorstandes sein, wenn man das noch nicht verstanden hat. Glücklicherweise ist es eine Minderheit, die dem Missverständnis unterliegt, es handle sich um eine „fremde Organisation“. Ist die VG Wort einem Journalisten fremd, darf, nein, sollte er den Fehler bei sich selbst suchen.

Selbst unter denen, die wissen, dass dieser seltsame „rechtsfähige Verein kraft Verleihung“ irgendwie wichtig ist für die Mitglieder der eigenen Organisation, kommen freilich eklatante Missverständnisse darüber vor, wer warum wieviel Geld von ihm bekommt und wie der Laden überhaupt funktioniert. Dieses Phänomen ist auch bei anderen Autorenvereinigungen anzutreffen.

Deshalb erkläre ich es anlässlich des diese Woche anstehenden 60. Jubiläums der VG Wort und ihrer anschließenden Mitgliederversammlung noch einmal – quasi ein „VG Wort für Dummies“:

Die VG Wort ist eine Urheberorganisation, die komplementär ist zum Berufsverband bzw. der Gewerkschaft. Was sie für uns tut, können DJV, DJU in ver.di und Freischreiber nicht leisten. Während DJV und DJU für uns versuchen, höhere Gehälter und Mindesthonorare mit den Arbeit- und Auftraggebern auszuhandeln, verhandelt die VG Wort mit den Unternehmen und Institutionen, die laut Urheberrecht etwas für die Zweitverwertung unserer Texte bezahlen müssen. „Zum Sechzigsten: VG Wort für Dummies“ weiterlesen

Der Zucht-Perlentaucher oder: Kontrollieren Verleger wirklich die VG Wort?

Es ist an der Zeit, sich mal wieder über das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Autoren und Verlegern zu unterhalten – ganz im Allgemeinen, aber auch über konkrete Vertreter beider Berufe: den Urheber Martin Vogel und den Rechteverwerter Thierry Chervel, Gründer der Online-Verlags Perlentaucher GmbH, der das Kulturportal perlentaucher.de betreibt.

Nein, möchte ich nicht.

Wer sich ein wenig mit dem Schmuck-Markt auskennt, weiß, dass es drei Sorten von Perlen gibt: natürlich gewachsene Perlen, Zuchtperlen und Kunstperlen. Das zur Metapher gewordene Wort Perlentaucher, also die gediegene Alternative zum leicht anrüchigen Trüffelschwein, bezeichnet jene Menschen, die uns die erste und ursprüngliche Variante bescherten. Sie tauchten hinab zu den Muschelbänken und holten die Austern an die Oberfläche, um an die verborgenen Schätze  zu gelangen. Sie taten aber nichts dafür, dass die Perlen wuchsen. Sie ernteten, was sie nicht gesät hatten. Sie investierten nichts weiter als ihre Arbeitszeit, nahmen aber ein großes Risiko auf sich, zu ertrinken oder zur Beute für Haie zu werden.

In der Wikipedia finden wir diesen fast ausgestorbenen Beruf nicht einmal auf einer „disambiguation„-Seite, auf der Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung auseinandersortiert werden. Der Suchbegriff „Perlentaucher“ führt exklusiv zum gleichnamigen Online-Kulturportal  des französischen Berliners Thierry Chervel, während die Namensgeber unter „Perlenfischer“ zu finden sind, als hätte die Tätigkeit irgendetwas mit Fischen zu tun, mit Netzen und Angelruten. „Der Zucht-Perlentaucher oder: Kontrollieren Verleger wirklich die VG Wort?“ weiterlesen

Metis: Jetzt die fairen „Verleger“ beteiligen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die VG Wort hat soeben die Ausschüttung der Online-Tantiemen (METIS) für 2016 gestartet. In den nächsten Tagen kommt Geld auf unsere Konten. Aber soweit es sich um per Zählpixel erfasste Texte handelt, überweist die VG Wort erst einmal 60 Prozent des fälligen Gesamtbetrags – also den bisherigen Autorenanteil – als Abschlagszahlung. (Die sogenannte Sonderausschüttung ist abgeschlossen.)

Was mit dem Anteil geschieht, der früher dem Betreiber („Verleger“) der jeweiligen Website zustand, müssen wir jetzt entscheiden. Dies ist zwar umfänglich, aber auch etwas umständlich im Begleitschreiben des Vorstands zur Ausschüttungsmitteilung beschrieben. Deshalb hier noch mal das Wichtigste als FAQ:

Was passiert, wenn ich nichts tue?

Dann bekommt der Website-Betreiber von der VG Wort kein Geld. Statt dessen bekommen Sie auch den zurückbehaltenen Rest. 

Warum sollte ich überlegen, ob ich dem Website-„Verleger“ nicht doch einen Anteil (meist 30 %) zugestehe?

Die Betreiber sind nicht verpflichtet, Zählpixel in die Texte einzubauen. Wer es auf freiwilliger Basis tut, hat aber Kosten. Daher besteht die Gefahr, dass Verleger aus METIS aussteigen. „Metis: Jetzt die fairen „Verleger“ beteiligen“ weiterlesen

VG Wort: Zustimmung zur Verlagsbeteiligung betrifft noch nicht Online

Bevor mich jemand fragt und ich es jedem einzeln erkläre: In den Briefen zur Hauptausschüttung 2017 der VG Wort, die gerade in der Post waren, geht es auch um die Zustimmung zur Verlegerbeteiligung und ein dazugehöriges Merkblatt, das Sie hier finden. (Ich weiß, liebe Freischreiber, alle Verleger sind böse und uns stehen dank St. Martin Vogel volle 100 Prozent zu und niemand soll so blöd sein, diesen Aasgeiern, die aus unseren Hirnschalen Schampus saufen, auch nur einen Cent abzutreten. Zufrieden?)

Also: Wer der unpopulären Ansicht ist, dass sein Verleger ihn immer fair behandelt und in Nöte geraten würde, wenn er kein Geld mehr von der VG Wort bekommt, kann ab sofort über das Meldeportal T.O.M. die früher üblichen 30 Prozent freigeben. Er bekommt dann keinen Nachschlag zu dem Abschlag, der jetzt ausgezahlt wurde. Im Normalfall werden es kleinere oder mittlere Buchverlage sein, denen diese Regelung zugute kommt.

Wer dagegen für Tageszeitungen und Illustrierte schreibt, braucht jetzt nichts zu tun. Die haben bisher schon nichts bekommen, und es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern, solange sie das Geld nicht (wie früher) in die Journalisten-Aus- und -fortbildung investieren. Im weiten Feld der Fachzeitschriften kommt es ganz auf den Einzelfall an.

ACHTUNG:

Im Moment geht es NUR um die laufende Hauptausschüttung, NICHT um die per METIS erfassten Online-Texte. Diese werden erst im Herbst abgerechnet.

Da das zwei getrennte Vorgänge sind, muss jeder dann erneut entscheiden, ob er 30 Prozent abtreten möchte. Ich empfehle dringend, bei der METIS-Ausschüttung den Website-Betreiber (Verlag) zu beteiligen – und zwar nicht, weil ich ein großes Herz für Verleger hätte, sondern aus purem Eigennutz. Mit den 30 Prozent, die im neuen Verteilungsplan stehen, haben wir den Anteil bei journalistischen Texten ja schon kräftig abgespeckt: Die Verlage bekommen im für sie besten Fall ein Viertel weniger als bisher. Dennoch haben wir es geschafft, sie nach dem „Vogel-Urteil“ im METIS-Boot zu halten. Wir dürfen nicht vergessen: Die Administration der Zählpixel verursacht in den Verlagen Kosten. Sie verpixeln unsere Texte freiwillig; das Gesetz zwingt sie nicht dazu. Das war der Grund, weshalb wir vor zehn Jahren überhaupt Speck für Verlegermäuse auslegen mussten. Das Gesetz hat sich auch „nach Vogel“ in diesem Punkt nicht geändert.

Sollten die Verlagsleiter oder Online-Chefs im Herbst sehen, dass kaum ein Autor auf „seinen“ Verlagsanteil verzichtet, wird ihre Motivation, weiter mitzumachen, nicht gerade gefördert. Jeder Autor kann natürlich auf gut Schwäbisch sagen: „Mir gäbet nix.“ Aber dann darf er sich nicht beklagen, wenn er hinterher die vollen 100 Prozent von gar nichts erhält – wenn nämlich sein Auftraggeber bockt und keine Zählpixel mehr setzt. Die einst als Notlösung eingeführte Sonderausschüttung kann nicht ersetzen, was uns dann wegbricht. Jedenfalls nicht bei denjenigen, deren Texte viel geklickt werden.

Kurz gesagt: Wer bei Online die Abtretung verweigert, könnte nicht nur sich selbst ins eigene Fleisch schneiden, sondern auch ins Fleisch der Kollegen.

Also merkt Euch mal den Stichtag 30.9. vor und bewegt meine Worte in Euren Herzen. Bis Ende Oktober ist dann Zeit, sich zu entscheiden.

VG Wort: Sieg der Vernunft

Gestern war ein denkwürdiger Tag für die Verwertungsgesellschaft Wort. Erstmals verabschiedeten die Mitglieder einen regulären Verteilungsplan, der es den Urhebern überlässt, zu entscheiden, ob ihre Verleger ein Stück vom Kuchen abbekommen – etwas, das früher eine Selbstverständlichkeit war. Und nicht nur das: Zwei der drei Verleger-„Kurien“ votierten einstimmig für diese Regelung, die dritte mit einer Fünf-Sechstel-Mehrheit, was man ohne Übertreibung als sensationelles Ergebnis bezeichnen kann. Schließlich erfahren die Verleger nicht einmal, welche Autoren ihnen wohlgesonnen sind und welche nicht. Sie setzen sich quasi unserer Willkür aus.

Aus Autorensicht ist der neue Verteilungsplan der beste, den es je gab, denn endlich ist auch eine Altlast beseitigt, die aus der Zeit der VG Wissenschaft stammt. Diese Verwertungsgesellschaft war 1978 von ihrer großen Schwester geschluckt worden – unter der Prämisse, dass ihr verlegerfreundlicher Verteilungsschlüssel nicht angetastet wird. Während die VG Wort den Autoren 70 Prozent ihrer Einnahmen gutschrieb, zog die VG Wissenschaft die Hälfte als Verlegeranteil ab. Als „Abteilung Wissenschaft“ der VG Wort teilte sie ihre Töpfe weiter halbe-halbe zwischen den beiden Empfängergruppen auf. Deshalb bekamen Fachjournalisten für Texte in Heften, die bei der „Wissenschaft“ gemeldet wurden, einen geringeren Anteil ab als andere Print-Journalisten. Damit ist jetzt Schluss: Fachjournalisten werden mit ihren nicht fachlich ausgerichteten Kollegen gleichgestellt. Alle bekommen mindestens 70 Prozent – oder, wenn sie das wollen, den ganzen Kuchen.

Natürlich kann man als Autor an diesem Kompromiss, auf den sich Mitglieder der Bewertungskommission am Rande der Leipziger Buchmesse verständigt hatten, etwas zum Meckern finden. Man könnte zum Beispiel die Position vertreten, dass eine angemessene Beteiligung der Verleger an den Reprografie-Einnahmen eher bei 20 Prozent liege – und zwar unabhängig davon, ob es sich um General-Interest- oder Special-Interest-Objekte handelt. Doch die Sache ist ganz einfach: Die 30-Prozent-Marke stellt derzeit die Schmerzgrenze dar. Eine 80:20-Aufteilung hätten die Verleger in den Gremien der VG Wort nicht mitgetragen. Wir hätten dann jetzt keinen Verteilungsplan, und für längere Zeit bekäme niemand einen Cent.

Zudem hätte die Gefahr bestanden, dass viele Verleger ihre weitere Mitgliedschaft in der VG Wort für sinnlos gehalten und ausgestiegen wären, um ihr Glück in einer eigenen VG zu suchen, die in Konkurrenz zur VG Wort treten und offensiv Lobbyarbeit für ihre Vorstellungen von der Beteiligung an der Gesetzlichen Vergütung betreiben würde. Dies wäre der Worst Case gewesen: Geschäftsgrundlage der Verträge, denen die VG Wort den Löwenanteil ihrer Einnahmen verdankt, ist die gemeinsame Rechtewahrnehmung. Bräche nämlich unsere VG entzwei, müsste alles neu verhandelt werden. Die Industrie würde ihre Zahlungen einstellen, und es gäbe erneut jahrelange Prozesse, bis irgendwann wieder Geld flösse.

Zur Erinnerung: Das Geld, das jetzt zur Ausschüttung ansteht, wird zum Teil für Texte bezahlt, die wir vor 15 Jahren geschrieben haben. Wer damals an der Schwelle zum Rentenalter stand, kann von Glück sagen, wenn er die Zahlung überhaupt noch erlebt. Ein Teil wird definitiv schon an Hinterbliebene bezahlt.

Diese Erwägungen sind alle lange bekannt. Dennoch will eine kleine Minderheit der Autoren nach wie vor die Verleger aus der VG Wort herausekeln. Dieses ideologisch motivierte Ziel ist diesen Leuten so wichtig, dass sie gegen den Verteilungsplan votierten – also fanden, gar keine Ausschüttung sei besser als eine, bei der Autoren den Verlegern freiwillig und anonym etwas abgeben dürfen.

Wer diese Fundis sind, darüber könnte ich nur spekulieren. Aufgrund der neuen Möglichkeit, bis zu zehn Stimmen auf einen Bevollmächtigten zu übertragen, waren offene Abstimmungen mit in die Luft gehaltenen Stimmkarten nicht mehr praktikabel. So weiß ich nur, dass die Anti-Fraktion krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert wäre, wenn es denn so etwas bei uns gäbe.

Überhaupt war gestern schön zu beobachten, wie den Personen, die sich an der VG Wort seit längerem abarbeiten, die scharfe Munition ausgeht. Es gibt zwar immer noch den einen oder anderen komischen Vogel (dessen Vorname nicht Martin lautet), der in Ankläger-Attitüde ans Saalmikrofon tritt und sich wohl als Richter im Rampenlicht gefiele (Licht aus! Spot an!). Kollegen also, die 150-prozentige Transparenz fordern, nur leider nicht von jener geheimbündlerischen Autorengruppe, die aus dem Off der finnischen Provinz heraus auf die VG Wort 8 zu geben behauptet. Aber wer den Redebeiträgen lauschte und miterlebte, wie sich gleich vier als Anträge camouflierte Misstrauensbekundungen zu heißer Luft verdünnisierten, wird konstatieren, dass an diesem Tag die Vernunft siegte. Die Opponenten vom Herbst stimmten zu. Und selbst der in den Freischreiber-Himmel gelobte Doktor Vogel fand nur noch Petitessen, an deren er gemäßigt herummäkeln konnte.