Wie schnell sich die Zeiten ändern: Noch im Frühjahr waren Sir lain Vallance und Sir Peter Bonfield sicher, British Telecom habe nur mit fester Verankerung auf dem US-Markt eine Zukunft. 35 Milliarden Mark war es den Chefs von Aufsichtsrat und Vorstand wert, den BT-Partner MCI vollständig in Besitz zu nehmen. Der Traum-Konzern sollte unter dem Namen Concert zum Weltmarktführer in der Telekommunikation werden.
Heute köchelt das Thema „Going Global“ in London auf kleiner Flamme. Statt in Weltmachtvisionen zu schwelgen, jubeln die beiden Sirs nun über den Milliardengewinn, den ihnen der Verkauf ihrer MCI-Anteile beschert. Der Geldadel in der City ist happy: Seit feststeht, daß die aufstrebende US-Telefongesellschaft Worldcom die schwer defizitäre MCI übernimmt, zog die BT-Aktie kräftig an. Die Analysten applaudieren; British Telecom könne seine Mittel sinnvoller anlegen, als den Zahlmeister für den Aufbau einer zweiten regionalen Netz-Infrastruktur in den USA zu spielen.
Mit ihrem Sinneswandel vom euphorischen Alles zum erleichterten Nichts bestätigen die Briten die Bedenken von Eli Noam, dem Direktor des Institute for Tele-Information an der Columbia University. Der US-Professor hatte vor der transatlantischen Elefantenehe gewarnt: Die Strategie von BT scheine ihm mehr vom Wunsch nach dem Aufbau eines Empire bestimmt zu sein denn von einer inneren ökonomischen Logik. Letzterer folgt Sir Peter nun, indem er mit der künftigen MCI Worldcom zusammenarbeitet; Concert bleibt als Marke für Transatlantik-Kommunikation erhalten.
Die wachsenden Zweifel am Dogma, daß „Think global“ auch „Think big“ heißen muß, lassen die behutsamere Weltmarktstrategie der Deutschen Telekom in einem milden Licht erscheinen. Helmut Ricke, Ron Sommers Vorgänger als AG-Chef, hatte sich zum Wohlgefallen Helmut Kohls zunächst auf die Allianz mit France Telecom (FT) konzentriert und das gemeinsame Engagement beim US-Carrier Sprint vorbereitet. Unter Sommers Ägide wird die deutsch-französische Liaison nun durch eine wechselseitige Beteiligung gefestigt.
Waren zeitweise Spekulationen ins Kraut geschossen, die Telekom könnte eines Tages mit FT und Sprint zu einem multinationalen Mega-Carrier fusionieren, so zeichnet sich heute ab, daß das Konzept des „virtuellen Unternehmens“ erfolgversprechender ist. Vergleichbar mit der Lufthansa, die sich in der „Star Alliance“ mit anderen Airlines vernetzt hat, bedient die Telekom den Weltmarkt als Teilhaber des trinationalen Joint-ventures Global One. Parallel dazu investiert der deutsche Konzern gezielt in Ländern des ehemaligen Ostblocks – etwa in Ungarn, der Ukraine und Rußland – sowie in Ostasien.
Auch wenn Global One nach Einschätzung von Mitbewerbern erst lernt, die die Bedürfnisse weltweit tätiger Kunden zu verstehen, bietet das T-gesteuerte Unternehmen bei fast allen wichtigen Ausschreibungen mit.
Um dem hochtrabenden Firmennamen irgendwann gerecht zu werden, arbeitet Geschäftsführer Viesturs Vucins an der Erweiterung des Networks. Bisher stehen 65 Länder auf seiner Weltkarte. Damit hat Global One die Nase vorn gegenüber der BT-Tochter Concert (50 Staaten). Abgeschlagen ist Unisource-Worldpartners; die AT&Tsche Anbietergemeinschaft besteht aus 17 Mitgliedern, die in 33 Ländern tätig sind. Damit kommt freilich keine der drei Gruppen auch nur nahe an die Weitläufigkeit des Netzbetreibers Equant heran. Der Multi aus dem Airline-Umfeld ist praktisch überall vertreten, wo es einen Flughafen gibt – das sind über 200 Länder.
In der Praxis ist dieses Verkaufsargument freilich nur für wenige Großkunden relevant. Entscheidend ist, wer die benötigten Services in den gewünschten Ländern liefern kann. Da sehen freilich manche Anbieter recht alt aus. So bietet BT, in Deutschland vertreten durch Viag Interkom, den Concert Intranet Service oder den Concert Web Hosting Service bislang nur in Großbritannien. Mannesmann-Arcor-Partner AT&T/Unisource wiederum ist in einigen europäischen Ländern gar nicht und nur schwach vertreten; deshalb kooperieren die Düsseldorfer auf dem französischen Markt mit der Cegetel – an der Seite von BT.
Angesichts solcher Ungereimtheiten erweist sich das von Marketing-Strategen beschworene One-Stop-Shopping in der Praxis als Fiktion. Nischenanbieter machen sich dies zunutze und picken gezielt nach den Rosinen – etwa Colt Telecom mit Glasfaser-Rennstrecken für Banken in Frankfurt und London.
Weil die großen Internationalisten aber auch um Teilaufträge vehement kämpfen, um einen Fuß in die Tür und gute Namen auf ihre Referenzliste zu bekommen, lohnt sich derzeit das Pokern. Die Multis verschmähen auch Inlandsdeals nicht. So bekam Global One voriges Jahr von der schwedischen Regierung den Zuschlag für die Sprachkommunikation zwischen allen lokalen und nationalen Behörden; in Deutschland schnappte Worldcom der Telekom einen Großauftrag des Bundestages weg.
Worldcom-Chef Stefan Hischer glaubt, daß deutsche Unternehmen schnell lernen werden, den Wettbewerb in der Telekommunikation auszunutzen – wozu gehöre, den Einkauf für Sprach- und Datenkommunikation zusammenzulegen. „Die Tendenz geht dahin, denn das bringt Kostenvorteile“, so Hischer, „uns kommt das entgegen: Wir verstehen uns als der weltweit erste integrierte Telekommunikationskonzern für Sprache, Daten und Internet.“
Damit positioniert sich Worldcom als direkter Konkurrent der Telekom-Tochter DeTeSystem, die in Deutschland auch den Vertrieb für Global One innehat. Während die Amerikaner ihr gewaltiges Internet-Backbone als Ausgangsbasis nutzen, geht das DeTeWeltbündnis den umgekehrten Weg: Um den Vormarsch der frechen Newcomer zu stoppen, hält Viesturs Vucins mit „Global Intranet“ dagegen.
Der Wettbewerb wird heiß. Die Vertriebsleute der DeTeSystem, verrät ein Konkurrent, fielen immer wieder dadurch auf, daß die über den Preis verkauften.
Für den Kunden ist das keine schlechte Nachricht. Auch wenn er am Ende doch bei der Telekom bleibt.
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