PORTRÄT: Selbstverliebter Gönner

PAUL ALLEN wurde als Gründer von Microsoft zum drittreichsten Mann der Welt. Jetzt macht er Furore als Investor, Wohltäter und Mäzen – mit Hang zur Egozentrik.

Als Bill Gates ihn 1975 aus dem regenkühlen Seattle in das staubtrockene Albuquerque in New Mexico schickte, konnte Paul Gardner Allen noch nicht ahnen, dass dieser Trip für beide der erste Schritt zu unermesslichem Reichtum bedeutete. Denn die Geschäftsreise schien zunächst ein Reinfall zu werden. Der 22-jährige Informatikstudent Allen versuchte, dem Computerbauer Ed Roberts die von ihm und Gates entwickelte Programmiersprache Basic zu verkaufen. Roberts, Entwickler des ersten Microcomputers der Welt names Altair, entpuppte sich nicht als visionärer Konzernlenker; sondern als Chef einer Provinzfirma. So reiste Allen vermeintlich erfolglos zurück nach Seattle zu seinem Kumpel, dem damals 19-jährigen Jurastudenten William Henry Gates III.

Der Erfolg stellte sich erst mit Verzögerung ein. Allen, der mit seinem starken Bartwuchs erheblich erwachsener wirkte als der milchgesichtige Gates, hatte mit dem Hardware-Pionier Roberts eine enge Zusammenarbeit vereinbart und sich sogar bei Roberts einquartiert. Gates folgte ihm nach und siedelte ebenfalls nach New Mexico um. Bald waren ihre Programmiersprachen gefragter als die Altair-Bausätze des Partners, die neben den Rechnern von Apple und Tandy alt aussahen. Erst 1978 überwältigte Allen das Heimweh: Er überredete Freund Gates, den Sitz ihres gemeinsamen Start-ups Microsoft nach Bellevue bei Seattle zu verlegen.

Mit dem hippiebärtigen Typen von damals hat der 48-jährige Paul Allen des Jahres 2001 nicht mehr viel Ähnlichkeit. Zumindest äußerlich. Mit der Zeit blieb von dem wilden Gewächs unter seinem Kinn immer weniger übrig. Inzwischen zeigt sich der Mann meist glatt rasiert und akkurat gekämmt. Je nachdem, welche Brille er gerade trägt, sieht er aus wie ein Harald Schmidt mit Hamsterbacken oder wie ein durchschnittlicher Familienvater aus der Mittelschicht. Doch dann irritiert er seine Umwelt wieder: Der scheinbar brave Kerl besteigt die Bühne in Seattles Museum „Experience Music Project“ (EMP), das der Rock-Legende Jimi Hendrix geweiht ist, und zerschmettert eine eigens dafür angefertigte gläserne Gitarre. Er darf das, schließlich ist er der Hausherr dieses verwegenen Bauwerks, das der Star-Architekt Frank O. Gehry (Guggenheim-Museum Bilbao) füreine neunstellige Dollar-Summe auf das Areal der Weltausstellung von 1960 gepflanzt hat. Auftragsgemäß schuf der Meister des ungeometrischen Bauens ein mehr als einen Hektar großes Ungetüm, dessen Formen an die von Hendrix bei seinen Auftritten verschlissenen Fender Stratocasters erinnern sollen.

Das EMP, die schräge Mixtur aus Museum, Kultstätte und Hard Rock Café, ist nur eines der kostspieligen Hobbys eines Mannes, der eigentlich nur noch Hobbys hat. Und der es versteht, dabei seinen Reichtum eher zu mehren denn zu verzehren – wobei der Verzehr bei einem geschätzten Vermögen von 30 Milliarden Dollar sicherlich schwierig wäre. Seit nunmehr 16 jahren macht Paul Allen nur noch, was ihm gefällt: Er gründet Forschungsinstitute, spielt den Business-Angel für alle möglichen High-Tech-Gründer in Informations- und Biotechnik, engagiert sich für bessere Schulen im Staate Washington, tobt sich in Musikstudios und bei öffentlichen Auftritten an der Gitarre aus, leistet sich eine 60-Meter-Yacht mit Landeplatz für Acht-Personen-Hubschrauber auf dem Deck, rettet ein Traditionskino und vom Kahlschlag bedrohte alte Bäume. Nebenbei erwirbt er chemisch verseuchte Industriebrachen zwecks späterer Sanierung, versucht sich als Medienmogul, kauft zweitklassige Sportvereine und baut selbstbewusst die komplette Skyline seiner Heimatstadt um, als gehörte sie ihm: ein Mensch im Slalom zwischen Philanthropie und Egomanie.

Der Wendepunkt im Leben des Paul Allen war das Jahr 1983 – zwei Jahre, nachdem er in einem legendären Deal das Microsoft-Betriebssystem an IBM verkauft hatte. Ein Deal, der Microsoft zum dominierenden Anbieter von PC-Betriebssystemen machte. Plötzlich wurde das notorische Arbeitstier schwer krank. Die Ärzte diagnostizierten Hodgkins‘ Disease, eine Art Lymphdrüsenkrebs. Der erst 30-jährige gab seinen Vorstandsjob bei Microsoft auf, aber nicht sich selbst. Schon zwei jahre später meldete er sich, offenbar genesen, mit einer kleinen Software-Firma in der Branche zurück. Sein Aufstieg in die »Forbes«-Liste der reichsten Menschen der Welt begann aber erst, als der Börsengang von Microsofts ein Aktienpaket zum Jackpot machte. Mit behutsamen Anteilsverkäufen finanzierte der Aussteiger seine neuen Unternehmen – den Gründerbrutkasten Interval Research, die Investmentgesellschaft Vulcan Northwest mit großem Venture-Capital-Zweig, eine fette Beteiligung an Steven Spielbergs Hollywood-Produktionsfirma Dreamworks.

Mit seiner publikumswirksamen Aktivität polarisiert Allen die Bürger Seattles. Kritiker sehen in ihm den typischen Neureichen, der meint, er könne für Geld alles kaufen. Der oft selbstverliebt wirkende Gönner stiftete der Stadt einen Skulpturenpark und der Uni eine neue Bibliothek – und wurde attackiert: Er wolle immer nur sich selbst Denkmäler setzen. So paukte Allen – Besitzer der Sportclubs Seahawks (Football) und Portland Trail Blazers (Basketball) – den Abriss des Kingdome durch, jenes noch nicht abbezahlten Riesenstadions, das seit den 70er jahren die Silhouette der Stadt prägte. Nun entsteht dort ein moderner Freizeitkomplex – geleitet von Allens Schwester Jody Patton und aus Steuertöpfen subventioniert. Warnungen örtlicher Sportfans vor einer grandiosen Fehlinvestition verhallten im kalten Nordwind. Die neue Arena bekommt kein Volldach mehr – gewagt, in einem Klima, das Allen einmal so beschrieb: »In einer solchen Gegend verbringt man einen großen Teil des Jahres drinnen und schaut in den Regen hinaus.«

Er selbst tut dies von Mercer Island aus, der Reiche-Leute-Insel im Lake Washington. Auf der Westseite des Sees die Skyline der Großstadt, auf der Eastside repräsentative Eigenheime der Software-Elite. Frau? Kinder? Freundin? Freund? No comment. Nur von zwei Angehörigen darf die Welt wissen: seiner Schwester und seiner Mutter.

Erschienen in BIZZ 11/2001.

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