E-Autos? Nein, tanke!

Lobbyisten tun, als dürften wir bald CO2-frei fahren. Dummerweise tut die Politik, als nähme sie das ernst.

Mein alter Passat-Kombi ist eigentlich ganz prima – bequem, geräumig, spurtstark. Wäre da nicht das prähistorische Antriebskonzept: Ein Fossilmotor braucht viel Sprit, regelmäßig Ölwechsel und Ersatz für so manches Verschleißteil, das es im elektrifizierten Auto der Zukunft gar nicht mehr geben wird.

Wäre ich Berliner, könnte ich versuchen, an einen dieser netten kleinen Stromflitzer zu kommen, mit denen die Kraftwagen- und Kraftwerkskonzerne rings ums Regierungsviertel ihr Image polieren. Aber sind die Akku-Kleinwagen wirklich eine smarte Idee? Machen wir eine gedankliche Probefahrt. Den Mini minimieren die Batterien im Fond zum Zweisitzer, Daimlers Fortwo ist per se ein solcher. Wir sind aber zu viert. Selbst wenn nur noch selten die ganze Familie dasselbe Ziel anstrebt: Wohin mit dem Sohn, dem ein paar Zentimeter und Monate bis zur Beifahrersitzberechtigung fehlen? Und will ich wirklich mein Leergut auf dem Dachgepäckträger zum Getränkemarkt kutschieren?

Vorerst tut’s mein VW-Oldie ja noch. Der hat gegenüber den Volt-Vehikeln, die in Berlin angeblich ihre Praxistauglichkeit beweisen, den unschätzbaren Vorteil, dass ich nicht nur bei Aral tanken kann, sondern auch bei Agip, Esso, Shell & Co. E-Car-Pioniere sind markengebunden – im Smart an RWE, im Mini an Vattenfall, im VW an E.on. Wer für sein entladenes Autoimmobil in fußläufiger Nähe des Fahrtziels eine Ladestrippe findet, hat Glück: 500 Stromtankstellen sollen reichen. Bushaltestellen hat die BVG fast 3000.

Mit den Bedürfnissen von uns Normalfahrern halten sich die Elektropropheten eh nicht auf. Die träumen öffentlich davon, die Akkus Ihres E-Autos über Nacht mit ungenutztem Windradstrom aufzuladen – aber nicht etwa, damit Sie in der Früh CO2-frei ins Büro sprinten können. Nein, sie wollen den geparkten Ökostrom ins Netz zurücksaugen, um morgendliche Bedarfsspitzen abzufedern. Machen Sie sich also gefasst darauf, dass Ihnen die Nachbarn mit ihren Toastern, Durchlauferhitzern und Kaffeemaschinen den Smart leer nudeln. Sie kommen dafür zwei Stunden zu spät zum Dienst, weil Sie das Gefährt erst mit teurem Tagstrom nachladen müssen. Oder Sie starten pünktlich mit halber Ladung und bleiben im Schneetreiben auf der Avus liegen. Und das soll die Zukunft sein? Nein, tanke!

Aus der Technology Review 1/2009, Kolumne FROITZELEIEN

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